Montag, 24. November 2014

Für Oma...

Liebe Oma Elfi,

ich weiß gar nicht genau wo ich eigentlich anfangen soll und was ich dir schreiben soll. Du fehlst uns schon jetzt und es fühlt sich ohne dich leerer an. Die Welt dreht sich für mich gerade ein Stück langsamer. Ich bin ohnächtig und kraftlos, da ich an der Tatsache dass du nicht mehr da bist nichts ändern kann...

Die Nachricht über deinen Zustand hat mich getroffen wie ein Schlag ins Gesicht.
Ich war am Wochenende mit R. in der Nähe von Hanau auf einer LARP Veranstaltung. Das sagt dir vermutlich nichts. Um es kurz zu fassen: Wir haben uns verkleidet und mit anderen verkleideten Menschen eine Geschichte gespielt.
Da wir in einer Zeit gespielt haben in der es keine Handys gab, blieb auch mein Handy abgeschaltet im Schrank in meinem Zimmer liegen. Zwischendurch gab es eine Spielpause in der wir uns kurz hinlegen konnten. Ich war ganz froh nochmal abschalten und die Geschehnisse des Spiels irgendwie verarbeiten zu können. Ich weiß nicht mehr warum, aber ich hatte den Drang mal kurz mein Handy anzumachen. Ich glaube ich wollte nach der Uhrzeit schauen (obwohl ich eigentlich eine Uhr an meinem Kostüm hatte, aber daran habe ich wohl nicht gedacht - zum Glück). Ich sah, dass Marietheres mir eine Nachricht geschrieben hatte und mir mitteilte dass ich ans Telefon gehen sollte, da es wichtig wäre. Ich glaube das war so gegen viertel nach eins oder so. Ich habe direkt zu R. gesagt es ist bestimmt etwas wegen Oma. Irgendwie hatte ich das im Gefühl...
Du musst wissen, dass ich bis dahin nicht wusste, dass du operiert worden bist und es dir zusehends schlechter ging. Ich sagte zu R. dass ich es nicht wissen wollen würde. Ich hatte einfach tierisch Angst vor der Konfrontation mit etwas mit dem ich vielleicht nicht umgehen könnte. R. bat an für mich anzurufen, um zu filtern worum es ging. Das tat er dann auch, aber er konnte M. nicht erreichen. Wir gingen also erstmal wieder zu den anderen um weiter zu spielen.

Später, so gegen halb drei schaute ich erneut aufs Handy und sah dass M. mich angerufen hatte und von Mama eine Nachricht gekommen war. Sie schrieb mir, dass es dir ncht gut gehen würde. Du hättest ein Gerinsel in der Leber und wärst auf der Intensivstation. Ich versuchte M. erneut zu erreichen und konnte dann doch endlich mit mit ihr reden. Meine Tränen liefen schon die Wangen herunter und auch M. konnte ihre nicht zurückhalten. Sie erzählte mir dass sie bei dir ist und es ihr nicht gut gehen würde. Sie war ganz allein und ich glaube sie hatte Angst und war verzweifelt. Sie ist noch so jung und war bisher mit dem Thema "Tod" noch nicht wrklich in Berührung gekommen.

Nach dem Anruf ging alles recht schnell. R. drängte mich sofort loszufahren, während ich noch in meiner Gedankenwel gefangen war und mir überlegt was ich alles umorganisieren musste und wie ich meine nächsten Tage planen würde. Ich hatte mich innerlich darauf eingestellt ein paar Tage in Dortmund zu bleiben um bei dir zu sein. Ich wusste zu dem Zeitpunkt einfach noch gar nicht wie schlimm es wirklich um dich bestellt war...

Ich sagte den Leuten vor Ort bescheid und packte wie mechanisch meine Sachen. R. kümmerte sich um was zu essen und zu trinken und half mir mich zu sortieren. Da ich die ganze Nacht nicht geschlafen hatte, übernahm er die Fahrerei ins Krankenhaus. Er tat mir so leid weil er mich "ertragen" musste und mich in so einer Verfassung bisher noch nicht erlebt hatte.
Ich weinte in einem fort und wusste einfach nicht wohin mit mir und meinen Gefühlen. In meinem Kopf drehte sich alles... R. versuchte mich aufzubauen, mir zu helfen und zuzuhören. Er war einfach für mich da.

Ich überlegte was ich dir auf deiner letzten Reise noch Gutes tun könnte. Blumen kamen für mich nicht in Frage, da ich mir einerseits dachte du hättest schon genügend und andererseits nicht wusste ob sie auf der Intensivstation überhaupt gestattet waren. Mir kamen sofort meine Wachkoma-Patientin in den Sinn. Wenn jemand lange Zeit im Bett liegt und sich kaum rühren kann ist es hilfreich ihm zu zeigt wo seine Körpergrenzen sind. Ich nahm mir vor deine Hände und Füße zu massieren, um dir Reize und Wohligkeit zu geben. Ich wollte auch etwas für den Geruchssinn und Geschmackssinn besorgen. Es ist bestimmt nicht schön tagelang nichts gegessen zu haben und ständig einen ekligen Geschmack im Mund zu haben. Mama schrieb mir, dass du klassisches Musik magst - ich nahm mir also vor dir welche vorzuspielen.

Da ich diese Sachen nicht alle dabei hatte wollte ich noch schnell einkaufen gehen bevor wir dich im Krankenhaus besuchten. Um 17:45h standen wir an der Abfahrt der Autobahn. Von dort aus wären es ca. 10 Minuten bis zu dir gewesen. Da wir noch einkaufen waren, kamen wir um 18:25h etwa am Krankehaus an. R. hatte vorgeschlagen zuerst zum Krankenhaus zu fahren und dann einzukaufen, aber ich wollte nicht mit leeren Händen bei dir stehen und auch dann lieber bei dir bleiben als hin und her fahren zu müssen.

Am Krankenhaus wartete schon M. auf mich. Sie war mit ihrem Freund da. R. und ich suchten einen Parkplatz und gingen mit Bodylotion, Servietten, Kerze und ein paar anderen Kleinigkeiten Richtung Eingang. M. sagte es wäre besser wenn R. draußen warten würde. Ich wollte ihn eigentlich mitnehmen und dir vorstellen, aber ich merkte dass es wohl doch besser war alleine zu gehen. Ich drückte R. ein paar Sachen in die Hand, nahm die Dinge für dich an mich und folgte meiner Schwester zum Fahrstuhl.

Im Fahrstuhl sah mich meine Schwester an, ihr liefen die Tränen über die Wangen und sie sagte mir "Es tut mir so leid. Oma ist vor einer halben Stunde gestorben". In dem Moment brach einfach alles über mir zusammen. Ich wollte schreien und weglaufen oder einfach selber sterben. Es war schrecklich! ICH WAR ZU SPÄT!!! Tausend Gedanken rasten durch meinen Kopf. Ich überlegte was ich hätte anders machen können, macht mir Vorwürfe, dass ich mein Handy nicht früher angemacht hatte, dass ich ausgerechnet an diesem Wochenende nicht zu Hause und nicht zu erreichen war. Ich brach innerlich zusammen...

Auf der Intensivstation konnte ich deinen Kopf schon durch den Türspalt sehen. Du sahst so anders aus, ich hätte dich kaum wieder erkannt. Im Zimmer waren alle deine Lieben. Markus saß an deiner Seite, Opa stand mit Papa am Bettende und Maria war auch da.
Du sahst ganz friedlich aus und irgendwie ein klein wenig glücklich. Ich hatte dofort das Gefühl, dass es dir da wo du jetzt bist besser ging als in deinem Körper in diesem Bett.
Ich saß mich zu dir an die Bettkante und nahm deine Hand. Ich entschuldigte mich, dass ich zu spät war und dass ich aber jetzt da war. Ich sagte dir dass ich dich vermissen würde... Als ich anfing dir die Hände einzucremen sagte ich dir dass das mein Abschiedsgeschenk für dich sei und erklärte dir woher ich die Idee hatte. Ich erzählte dir auch von R. und dass ich ihn dir so gerne vorgestellt hätte. Ich sagte dir auch, dass es uns allen gut geht und du dir keine Sorgen machen musst.

Ich mache mir noch immer ein wenig Vorwürfe, aber das Wissen dass M. dir gesagt hat dass ich, dein großes Engelchen, komme und bei dir sein würde und dass ich es auch ohne Einkauf nicht rechtzeitig geschafft hätte, gibt mir ein bischen Ruhe.
Ich bin auch froh, dass wir vor einer Woche noch telefoniert haben. Ich wusste, dass es dir bis dahin gut ging und du also nicht lange leiden musstest!

Oma, ich danke dir für all die schönen Stunden und all die Erinnerungen die du hinterlässt. Du warst eine zutiefst ehrlich und freundliche Seele. Du hast immer für mich eingestanden und warst für mich da! Du warst immer so stolz auf uns Enkelkinder und hast so viel für uns getan! Ich erinnere mich noch an die vielen gemeinsamen Shoppingtouren, an unsere gemeinsamen Klavierstunden, an das Basteln mit der AWO, das Plätzchen backen und an das Kirschkerne-Puhlen. Danke dass du so eine tolle Oma und so ein toller Mensch warst! Du wirst uns sehr, sehr fehlen!

Ich habe dich sehr lieb!

Deine Miriam