Dienstag, 22. Juli 2014

EKT - Elektrokrampftherapie

Heute mal etwas ganz anderes und zwar aus dem Bereich der Medizin: Die Elektrokrampftherapie.

Ich habe das große Glück eine sehr nette und kompetente Psychiaterin im Team zu haben. Sie hatte gestern bei unserer Teamsitzung erzählt, dass sie heute eine EKT durchführen musste. Das Wort "EKT" löste bei mir sofort sämtlich "Alarmglocken" aus, da ich dieses Prozedere als sehr, sehr spannend erachte. Ich habe direkt gefragt ob es möglich wäre bei so einer Anwendung dabei sein zu können. Zu meiner großen Überraschung war dies ohne irgendwelche Umstände möglich.

Ich stand also heute morgen um 7h vor der Klinik für Psychiatrie und wartete auf Einlass. Da mein Wecker mich um 5h aus dem Bett geklingelt hatte und ich noch keinen Hunger hatte, wollte ich mein Frühstück noch fix vor der EKT essen. Leider kam niemand, um mir die Tür aufzuschließen... Erst als die Ärztin kam, hatte ich die Möglichkeit kurz einen Löffel Müsli zu futtern bevor es auch schon rüber ins Hauptgebäude ging... Mit leerem Magen und kaum Flüssigkeit machten wir uns auf in die Katakomben der Uniklinik.

So ruhig hatte ich die Klinik noch nie erlebt. Trotz des psychodelischen Teppichs hatte die Situation dementspechend etwas beruhigendes ;). Nachdem wir um einige Ecken gebogen waren, die Treppen runtergestiefelt und eine Tür passiert hatten, fand ich mich im Vorbereitungsraum der OP-Sääle wieder. Komisch diesen diesmal nicht als Patient, sondern als Therapeut/Prakitkant zu betreten ;)
Aus einem Wagen schnappte ich mir ein schickes, grünes OP-Hemd und streifte es über meine Straßenklamotten. Meinen schicken Ausweis hängte ich an die Brusttasche - irgendwie fühlte ich mich auf einmal "befördert". Auf einmal befand ich mich mit Schwestern, Anästhesisten und Ärzten in einem Raum und beobachtete die Patienten die darauf warteten "behandelt" zu werden.

4 Patienten lagen schon vorbereitet mit OP-Hemd, Akte, allerlei Spritzen, Tropf und Zugang in ihren Betten. An einem Monitor flimmerten die wichtigsten Vitalfunktionen in Wellen und Zahlen. Während der Anästhesist nochmal abklärte ob Allergien bestehen, lose Gebissteile rausgenommen und auch nichts gegessen und getrunken wurde, klebte die Ärztin die Elektroden an Kopf und Brust des Patienten. Sie bat die Patienten die Augen zu schließen und machte einen Ausdruck der Hirnströme der linken und rechten Hirnhemisphäre, um einen Ausgangswert zu haben (so kann später verglichen werden wie stark der Anfall war und wann das Gehirn wieder im Normalstatus ist). Nachdem alles vorbereitet war, gab die Schwester das Anästhetikum über einen Zugang am Handrücken in die Blutbahn. Es wurde laufend beobachtet ob der Patient bereits eingeschlafen war oder ob evtl. noch mehr Anästhetikum zugeführt werden musste.

Sobald der Patient eingeschlafen war wurde mit einer Larynxmaske intubiert, um beatmen zu können. Grund hierfür: Die gegebenen Muskelrelaxantien ermöglichen einen möglichst krampflosen epileptischen Anfall, führen aber auch andererseits dazu, dass der Patient nicht mehr von selber atmet... Hört sich viel dramatische an als es eigentlich ist!
An die Maske wurde dann ein Beatmungsbeutel angeschlossen welcher durche ein Pflegekraft oder den Anästhesisten "bearbeitet" wurde.

Die Ärzte hatten in der Zeit schon die stromgebenden Kontakte der Maschine mit Kontaktmittel eingeschmiert und dem Patienten eine Mullbinde in den Mund gelegt (um zu verhindern dass sich dieser auf die Zunge beißt). Nachdem die Kontakte dem Patienten an den Kopf gehalten wurden, wurde der Stromstoß losgechickt und damit ein Grand Mal Anfall ausgelöst.
Das einzige was auf einen epileptischen Anfall schließen ließ, waren die verkrampfte Mimik und Kopfhaltung und die Geräusche der stromgebenden Maschine.
Ab diesem Zeitpunkt wurde die Kurve der Hirnströme genaustens gemustert, um abschätzen zu können ob der Anfall ausreichend war, um den gewünschten Effekt im Gehirn zu erzielen und um zu sehen wann der Anfall nachließ.

Nachdem alle Daten ausgewertet waren, wurde der Patient beobachtet. Sobald die Spontanatmung wieder einsetzte, wurde der Patient angesprochen und die Maske herausgezogen.
Die Narkose dauerte oft nur 10 Minuten. Ein Teil der Patienten war nach insgesamt 20 Minuten schon wieder wach und ansprechbar.

Vielleicht fragt ihr euch warum man sowas überhaupt macht?!

Bei tiefgreifenden Depression (major) bei denen alle bekannten Mittel nicht helfen (Antidepressiva und andere Medikamente, Therapien, Hypnose etc.) wird auf die EKT zurückgegriffen. Es ist oft die letzte Möglichkeit dem Patienten dabei zu helfen wieder ein "normales" Leben leben zu können.
Bei manchen hat es keinen Erfolg, aber vielen hat es neue Hoffnung gegeben und das Leben wesentlich erleichtert. Die Patienten mit denen ich bisher darüber gesprochen habe, haben berichtet dass es nach der EKT wie eine neues Leben war. Sie konnten wieder Freude und Lebensmut erleben, sahen die Welt in einem neuen Licht.

Was passiert denn da eigentlich?

Ich kann das Verfahren nur in meinen laienhaften Worten erklären, aber es hilft vielleicht ein wenig besser zu verstehen was da genau im Körpr abläuft...
Letztlich ist es auch ganz simpel. Das Gehirn besteht aus einer vielzahl von Nervenzellen die untereinander Informationen austauschen. Diese Informationen werden mittels verschiedener Botenstoffe weitergegeben. So gibt es zum Beispiel Serotonin, welches u.a. für die Steuerung oder Beeinflussung der Wahrnehmung, des Schlafs, der Temperaturregulation, der Sensorik, der Schmerzempfindung und Schmerzverarbeitung, des Appetits, des Sexualverhaltens und der Hormonsekretion zuständig ist. Ist davon nicht genug vorhanden kommt es zu einer Veränderung dieser Vorgänge. Auch Dopamin (Antrieb, Motivation, Belohnung) ist hier beteiligt.
Man geht davon aus, dass die durch den Strom angeregten Nervenzellen vermehrt diese Stoffe ausschütten und so zu einem höheren Spiegel führen. Dies wiederrum wirkt sich, logischerweise, positiv auf den Patienten auf der wieder in der Lage ist Motivation, Antrieb, Glück etc, wahrzunehmen...

Mich würde eure Sicht mal interessieren! Schreckt euch das ab oder findet ihr es spannend/hilfreich?
Ich habe jedenfalls gedacht "Schade dass du nicht doch Medizin studiert hast! Der Körper ist einfach so ein spannendes Teil. Ich würde gerne mehr wissen und kennen und auch als Arzt arbeiten..."

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